Auf dem Boden

Im Maula-Gefängnis im südafrikanischen Malawi liegen die Menschen nachts auf dem Boden. Die unmenschlichen Bedingungen, die vor allem aus der Überbelegung resultieren, sind trauriger Alltag in vielen afrikanischen Gefängnissen. Ein Besuch

Fortune hockt auf dem Boden, barfuß. Sein Name bedeutet auf Englisch Vermögen oder auch Schicksal. Er ist Callboy. So nennt man in Malawi die Jungen im Alter von 12 bis 32 Jahren, die auf den Busbahnhöfen laut schreiend die Richtung ausrufen, um ein Trinkgeld vom Busfahrer zu bekommen. Nur knapp jeder zweite erwachsene Malawier kann lesen oder schreiben. Für die Restlichen waren in der Frage, in welche Richtung die Minibusse fahren, die Callboys zuständig. Diese Dienstleistung mit einem Tagesgehalt, das gerade mal zum Überleben reicht, wurde für gesetzeswidrig erklärt. Über 144 junge Malawier sind 2006 innerhalb von nur zwei Wochen von der Straße verhaftet worden. Sie mussten mit einer Strafe bis zu 20.000 Kwacha, 130 Euro, oder einem Jahr Gefängnis mit Arbeitslager rechnen.

Schlafen auf dem Betonboden

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Darunter waren auch Fortune und David, die im Maula-Gefängnis inhaftiert wurden. Die Menschen liegen nachts mit ihren aneinander gepressten Körpern auf dem Boden. Schlafende haben die Füße ihres Gegenübers im Gesicht. Die für 50 bis 60 Menschen konzipierten Zellen müssen bis zu 150 Gefangene unterbringen. Die unmenschlichen Bedingungen, die vor allem aus der Überbelegung resultieren, sind trauriger Alltag in vielen afrikanischen Gefängnissen. Schätzungen zufolge ist jeder fünfte Gefangene im sub-saharischen Afrika ein Opfer von Justiz, Inkompetenz oder Korruption – eine unheilvolle Allianz aus Justizversäumnissen und Gleichgültigkeit eines überforderten Rechtssystems.
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Journalisten/innen ist die Besichtigung der Zellen-Baracken untersagt. Zu einem Interview werden Fortune und David in ein Nebengebäude gerufen. In geduckter Haltung betreten sie den Raum, schleichen zur Wand und hocken sich auf den Boden. Ihre Kleidung ist zerschlissen, keiner von ihnen trägt Schuhe. Die Gefangenen stehen oder sitzen in der sengenden Hitze auf dem großen Lehmplatz ohne Bäume, der von mehreren hohen Stacheldrahtzäunen umgeben ist. Sie warten auf das Ende des Tages, damit sie zurückkehren können in die Betonbaracken. Das sind die Gefangenenzellen.

Dort schlafen Fortune und David mit 120 Menschen in einem fünf Meter breiten und sechs Meter langen Raum – auf dem Betonboden, ohne Unterlagen liegen sie nur auf Decken auf dem baren Boden. Sie liegen mit ihren Köpfen auf der Schulter ihres Gegenübers, wie Sardinen aneinander gepresst – wenn sich einer dreht, müssten sich alle drehen. Als Newcomer müsse man in einer Reihe in der Mitte des Raumes schlafen. „Aber man kann aufsteigen: Wer länger im Gefängnis ist, darf an den Wänden schlafen“, sagt Fortune. Morgens um sechs Uhr wachen sie mit schmerzenden Knochen auf. Essen gibt es einmal am Tag: Nsima, Maisbrei, mit Bohnen. Wie viel? Fortune formt mit seinen beiden Händen eine flache Kuhle. „Aber das Nsima ist zu weich. Es ist zu viel Wasser drin, man wird nicht satt“, fügt er mit leiser Stimme hinzu.

Kein Anwalt, keine Zukunft

Keiner der beiden Callboys hatte in dem Prozess vor Gericht einen Anwalt. Wussten sie denn, dass sie das Recht auf einen von der Regierung bezahlten Anwalt haben? „Nein“, sagt Fortune. „Das war das erste Mal, dass wir vor Gericht standen. Wir wissen nicht, wie das abläuft oder welche Rechte wir haben. Wir haben versucht, uns selbst zu verteidigen.“ Weil sie die Strafe von rund 80 Euro nicht zahlen konnten, kamen sie für zwei Monate ins Gefängnis.

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